Der Begriff Meige-Syndrom (MS) beschreibt eine fokale Störung des Muskeltonus. Betroffene zeigen einen Blepharospasmus und eine unterschiedlich stark ausgeprägte oromandibuläre Dystonie. Wenngleich ein sehr ähnliches klinisches Bild durch Psychopharmaka getriggert werden kann, ist das MS per definitionem doch eine primäre Dystonie, deren Ätiologie noch unbekannt ist. Die Therapie kann deshalb nur symptomatisch erfolgen, beispielsweise durch die Injektion von Botulinumtoxin zur Vermeidung der Muskelkontraktion. Die Prognose ist günstig. Alternative Bezeichnungen für das MS sind idiopathische orofaziale Dystonie, idiopathische orofaziale Dyskinese, kraniozervikale Dystonie oder ähnliche Termini.
Das MS zählt zu den fokalen Dystonien und betrifft hauptsächlich die Augenmuskeln und die Muskulatur des unteren Gesichtsbereiches. Bei dieser Form der Dystonie können rhythmische, spastische und tremorartige Muskelkonktraktionen beobachtet werden. Die Erstmanifestation fällt meist ins mittlere Erwachsenenalter und Frauen sind häufiger betroffen als Männer.
Die meisten MS-Patienten werden mit einem intermittierendem Blepharospasmus vorstellig. Es ist nicht ungewöhnlich, dass das Einsetzen des Blepharospasmus in einen engen zeitlichen Zusammenhang mit kleineren Traumata oder Erkrankungen gebracht wird: Eine Reizung der Augen bei Exposition gegenüber Wind, Staub und Schmutz sowie Keratokonjunktivitis sicca, Konjunktivitis und Blepharitis mögen alle einen Lidkrampf auslösen. In einigen Fällen geht dem Blepharospasmus eine Phase schnellen, unwillkürlichen Blinzelns voraus. Diese Patienten blinzeln bedeutend schneller und forcierter als ein gesundes Individuum, das versucht, einen Fremdkörper von Horn- und Bindehäuten zu entfernen.
Ähnlich kann der Vorbericht zur oromandibulären Dystonie ausfallen. Typische Läsionen, die die Bewegungsstörungen auslösen, sind stumpfe Traumata, die der Patient während des Sports oder bei einem Sturz erleidet, oder auch zahnmedizinische Behandlungen. Die Dystonie der Muskeln im unteren Gesichtsbereich setzt allerdings in den meisten Fällen nach dem Blepharospasmus ein, d.h. die Krankheit scheint sich von den Lidern auf unterhalb gelegene Zonen auszudehnen. Wesentlich seltener wird eine umgekehrte Ausbreitung von den Muskeln im Hals-, Kinn- oder Mundbereich in Richtung der Orbita beobachtet [1].
Die oromandibuläre Dystonie kann schließlich umfassende Anteile der Kaumuskulatur, der Zunge und auch der Muskeln von Rachen und Kehlkopf betreffen [2] [3]. Charakteristische Symptome sind diesbezüglich unkontrollierbare Kaubewegungen, ein Aufeinanderpressen der Kiefer, ein Vorwärtsschieben des Unterkiefers, ein Schürzen der Lippen oder Grimassenschneiden. Viele Betroffene leiden zudem an Sprachstörungen [4] [5]. Zuweilen erfasst die Dystonie auch die Muskulatur des Hals- und Nackenbereiches. Selbst nach jahrelanger Erkrankung kann nicht sicher ausgeschlossen werden, dass das MS keine weiteren Muskeln ergreifen wird. Während in manchen Fällen eine solche Verschlimmerung nach Traumata eintritt, lässt sich bei anderen Patienten kein Auslöser identifizieren.
Im Gegensatz zu anderen dystonischen Pathologien ist weder die Rumpfmuskulatur noch die der Gliedmaßen in das Krankheitsgeschehen involviert.
Die Diagnose des MS erfolgt anhand der klinischen Befunde und nach Ausschluss sekundärer Dystonien [2]. Untersuchungen von Blutproben, der Nachweis von Autoantikörpern oder einer Belastung mit Toxinen, eine Magnetresonanztomographie des Kopfes und möglicherweise auch genetische Analysen kommen zur Anwendung, um folgende Differentialdiagnosen auszuschließen:
Die genannten Untersuchungen bleiben im Fall des idiopathischen MS, per definitionem eine primäre Dystonie, ohne besonderen Befund.